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Blog 17 - Wie heilige ist die Limmat?

25.Juli 2012

 

Heute Morgen erhielt ich von meiner Mutter ein SMS : `bin am Zmorgä und ghörä dini Stimm am Radio‘. Stimmt, ich erinnere mich - gestern hatte ich ein Telefongespräch mit einem Radioreporter. Er berichtete mir, wie Hindus in der Stadt Luzern einen Bestattungsort an der Reuss bekommen haben. Dort können sie nun nach traditionellem Ritus die Asche von Verstorbenen ins Wasser geben. Von mir wollte er dann wissen, ob wir ähnliche Pläne in Zürich verfolgen und weshalb die Asche von Verstorbenen eigentlich in Flüsse gestreut werden? Meine Antworten waren kurz und bündig wie es sich fürs Radio gehört, in Gedanken hat mich das Thema aber noch eine Weile begleitet.
 
Wie ein Mensch alte Kleider ablegt und neue anzieht, so gibt die Seele alt und unbrauchbar gewordene Körper auf und nimmt neue physische Körper an. 
Der Unterschied zwischen einem lebenden und einem toten Körper besteht in der Anwesenheit der Seele. Sobald die Seele den Körper verlässt, bezeichnet man ihn als `tot`. Die Seele selbst ist aber ewig und geht in einen neuen Körper ein. Im Normalfall findet der Körperwechsel sofort statt. Was aber geschehen kann, ist, dass sich jemand im Falle eines unerwarteten Todes oder aufgrund übermässiger Anhaftung an den gegenwärtigen Körper weigert, in den nächsten Körper einzugehen. Manche Verstorbene haben zum Beispiel das Gefühl, dass in ihrem Leben noch viele Wünsche, Pläne und Hoffnungen unerfüllt geblieben sind. Deshalb sind sie dann nicht bereit, sich von ihrem Körper zu lösen. Da dies aber ein sehr leidvolles Dasein zur Folge haben kann, raten die Heiligen Schriften den toten Körper zu kremieren, also zu verbrennen. Dadurch wird es dem Verstorbenen ermöglicht, sich leichter von der Anhaftung an seinen toten Körper zu lösen und  er kann so seine Wanderung in die nächste Verkörperung ungehindert fortsetzen.
 
Die Kremation findet in Indien in aller Öffentlichkeit statt, oft am Ufer heiliger Flüsse. Der tote Körper wird gebadet, einer rituellen Reinigung (Waschung) unterzogen, mit Salbe oder Ölen eingerieben und in orangene Gewänder gewickelt. Der Leichnam wird dann auf Holzstöße gelegt und in der Anwesenheit der Familienangehörigen kremiert. 
Während die Flamen den toten Körper langsam verschlingen, werden verschiedene Mantren und Gebete rezitiert, um dem Verstorbenen möglichst Glück verheissende Umstände für die nächste Verkörperung zu schaffen. Und hier kommen wir nun zur Antwort unserer Ausgangsfrage. Durch die Berührung der Asche mit einem heiligen Fluss werden der verstorbenen Seele weitere Segnungen mit auf die Reise gegeben. In Varanasi zum Beispiel glaubt man, dass durch die Übergabe der Asche in den heiligen Fluss Ganges sich das Tor zur Befreiung öffne!
 
Inwieweit man die Reuss als `heiligem Fluss` bezeichnen kann, möchte ich an dieser Stelle mal offen lassen. Und obwohl die Zusammenkunft von Flüssen wie der Sihl und der Limmat als sehr Glück bringende Kraftorte gelten, würde ich für die Übergabe meiner Überreste trotzdem das Ufer der Ganges dem Platzspitz vorziehen.
 
Aber für viele Hindus ist es durchaus ein Bedürfnis, solch eine letzte Zeremonie für Verstorbene auch hier in der Schweiz durchführen zu können, nicht zuletzt weil ja oft viele der Familienangehörigen auch hier leben und nicht alle zu heiligen Flüssen in Indien oder Sri Lanka reisen können. In diesem Sinn schliesse ich mich der Aussage des reformierten Pfarrers Beat Hänni gerne an: "Der Bestattungsort an der Reuss ist unser Beitrag zur Integration".

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